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29.01.2024

Bundeskartellamt „Wrapped“ – Jahresrückblick für 2023

Ein Überblick über die Aktivitäten des BKartA im Jahr 2023

Zu Beginn eines neuen Jahres lohnt sich stets der Blick zurück auf das vergangene Jahr – insbesondere im Kartellrecht. Denn zurückliegende Aktivitäten können einen Vorgeschmack auf die künftigen Schwerpunkte des Bundeskartellamts („BKartA“) liefern. Mit Inkrafttreten der 11. GWB-Novelle1 hat das BKartA in diesem Jahr wesentliche neue Kompetenzen hinzugewonnen. Gleichzeitig war das Amt in seinen Kernaufgaben in den Bereichen Kartellbekämpfung, Fusionskontrolle und Missbrauchskontrolle 2023 erneut sehr aktiv. Zudem beschäftigte sich das BKartA auch im vergangenen Jahr wenig überraschend mit dem globalen Supertrend Nachhaltigkeit. Nach eineinhalbjährigen Erfahrungen mit dem Wettbewerbsregister kann außerdem auf erste interessante Statistiken geblickt werden.

Kartellverfolgung Post Pandemie

Das BKartA verhängte im Jahr 2023 Bußgelder von insgesamt rund EUR 2,8 Mio. wegen verbotener Kartellabsprachen. Bebußt wurden insgesamt acht Unternehmen im Industriebau2 und sieben Einzelpersonen. Damit fielen die Bußgelder im Vergleich zu den Vorjahren (vgl. EUR 105 Mio. im Jahr 2021 und EUR 24 Mio. im Jahr 2022) erneut deutlich geringer aus. Dieser massive Rückgang der Höhe der verhängten Bußgelder dürfte insbesondere auf die Nachwirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen sein. Daher kann hierin keinesfalls ein andauernder Trend gesehen werden. Vielmehr war das BKartA im Jahr 2023 – wie bereits im Vorjahr – im Bereich der Kartellverfolgung sehr aktiv und führte zwölf Durchsuchungen durch (nach 18 Durchsuchungen im Jahr 2022). Außerdem stehen nach Angaben des BKartA einige große Fälle kurz vor dem Abschluss. Daher ist für die folgenden Jahre wieder mit einem Anstieg der Bußgelder zu rechnen.

Zudem schloss das BKartA im Jahr 2023 ein Verwaltungsverfahren gegen die Arbeitsgemeinschaft von Hilfsmittelverbänden (ARGE) ab, und zwar mit dem Ergebnis der Beendigung von wettbewerbswidriger Koordinierung von Preisen bei der Hilfsmittelversorgung.3

Mit 14 Kronzeugenanträgen von Unternehmen im Jahr 2023 beim BKartA blieb die Zahl der Kronzeugenanträge im Vergleich zum Vorjahr (2022: 13 Kronzeugenanträge) konstant. Daneben gingen beim BKartA viele Hinweise über die 2023 neu eingerichtete externe Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz ein.4

Fusionskontrolle

2023 prüfte das BKartA ca. 800 Zusammenschlüsse (2022: ca. 830), hiervon vier im Hauptprüfverfahren (2022: drei) vertieft. Mehrere Zusammenschlüsse wurden nur unter Bedingungen freigegeben:

Den geplanten Erwerb des Royal Friesland Campina Molkereigeschäfts („Tuffi“ und „Landliebe“) durch Theo Müller gab das BKartA Anfang 2023 unter einer auflösenden Bedingung frei: Aufgrund von nationalen Marktanteilen von Theo Müller teilweise über 60% und zu erwartenden – wenn auch geringfügigen – Marktanteilsadditionen muss Theo Müller den Geschäftsbereich „Tuffi“ veräußern und exklusive Drittlizenzen für die Marke „Landliebe“ vergeben. So sollen jeweils neue Wettbewerber in die Marktposition von Royal Friesland Campina eintreten können. Gemeinsame Marktanteile unterhalb der Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung i.H.v. von 40% stufte das BKartA dagegen als nicht ausreichend wettbewerblich bedenklich ein.5 Daneben gab das BKartA den geplante Erwerb eines regional größten Anbieters in der Entsorgungsbranche durch einen überregionalen Anbieter ebenfalls nur unter der Bedingung der Veräußerung eines Entsorgungsstandorts frei, um einen neuen Wettbewerber in den Markt eintreten zu lassen.6

In einem weiteren Hauptprüfverfahren gab das BKartA den Erwerb eines Großhändlers durch einen Hersteller von Reinigungsrobotern für private Pools frei, da es auf dem Großhandelsmarkt für Schwimmbadausrüstungen keine durchgreifend wettbewerblichen Bedenken gab. Den Anhaltspunkten für das Entstehen eines wettbewerbslosen Duopols auf dem Herstellungsmarkt für Reinigungsroboter konnte das BKartA nicht nachgehen, denn die Gesamtumsätze auf dem relevanten inländischen Markt unterhalb der Bagatellmarktschwelle i.H.v. € 20 Mio. (§ 36 (1) Nr. 2 GWB).7 Aus dem gleichen Grund wurden zwei regionale Zusammenschlüsse im Pressebereich trotz wettbewerblicher Bedenken des BKartA bereits in Phase 1 freigegeben.8

Missbrauchskontrolle

In der Missbrauchskontrolle war das BKartA im vergangenen Jahr insbesondere gegenüber der Deutschen Bahn („DB“), Energieversorgungsunternehmen, in digitalen Märkten sowie im Lebensmitteleinzelhandel („LEH“) aktiv.

Das BKartA erließ eine Abstellungsverfügung gegen die im Bereich Schienenverkehr marktbeherrschende DB wegen missbräuchlicher Verhaltensweisen bei der Bereitstellung von eigenen Angeboten und Echtzeit-Datenzugängen gegenüber Mobilitätsplattformen. Gerügt wurde neben der Einschränkung des Zugangs zu Echtzeit-Verkehrsdaten u.a. auch Werbe- und Rabattverbote, vertikale Preisvorgaben und die Provisionsgestaltung, insbesondere im Vergleich zur eigenen marktstarken Mobilitätsplattform „DB Navigator“. Die DB hat gegen die Verfügung des BKartA Rechtsmittel eingelegt.9

Aufgrund der neuen Befugnis zur Missbrauchskontrolle in Umsetzung der Energiepreisbremse hat das BKartA Prüfverfahren gegen 57 Versorger von Gas, Wärme und Energie eingeleitet. Im Fall von Beanstandungen, die nicht durch die Versorger korrigiert werden, hat das BKartA bereits Rückerstattungsverfügungen angekündigt.10 Daneben eröffnete das BKartA Verfahren gegen möglicherweise überhöhte Preissteigerungen durch Verwendung von nicht sachgerechten Indizes bei Fernwärmeanbietern.11

Gegen die großen Digitalkonzerne laufen derzeit eine Reihe von Verfahren auf der Grundlage des mit der 10. GWB-Novelle eingeführten § 19a GWB. Nachdem die „marktübergreifende Bedeutung für den (Digital-)Wettbewerb“ von Alphabet/Google, Amazon, Apple und Meta/Facebook bereits festgestellt wurde, läuft derzeit noch ein entsprechendes Verfahren gegen Microsoft. Auf dieser Basis hat das BKartA 2023 gegen Alphabet/Google eine Abmahnung aufgrund des Bundlings von Infotainment-Lizenzen für Fahrzeuge ausgesprochen.12 Gegen Amazon laufen weiterhin Verfahren wegen möglicher Preiskontrolle und „Brandgating“ (gegenüber Marktplatzhändlern) sowie gegen Apple aufgrund der Datenschutzregelungen für Dritt-Apps. Den Parallelverfahren gegen diese auch auf EU-Ebene durch den Digital Markets Act13 regulierten „Digital Gatekeeper“ sieht das BKartA gelassen entgegen: Es will diesbezüglich weiterhin eng mit der EU Kommission kooperieren.

Gegenüber Coca-Cola Europacific Partners Deutschland leitete das BKartA ein Verfahren zur Ermittlung eines möglichen Missbrauchs aufgrund von Rabattgestaltungen, insb. bei Abnahme der gesamten Produktpalette, gegenüber dem LEH ein. Das BKartA hat bereits angekündigt, Ermittlungen bzgl. einer marktbeherrschenden Stellung bzw. relativer Marktmacht auf dem Markt für Cola-Getränke bzw. Softdrinks anzustellen.14

Nachhaltigkeit und Wettbewerb

Nachhaltigkeitsaspekte sind zu wichtigen Wettbewerbsparametern geworden. Während unilaterale Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen in der Regel als unproblematisch eingestuft werden, erfordert koordiniertes Verhalten (zwischen Wettbewerbern) eine kartellrechtskonforme Ausgestaltung. Bei der Prüfung von Nachhaltigkeitsinitiativen legt das BKartA insbesondere folgende Faktoren zugrunde: die Intensität der Wettbewerbsbeschränkung (z.B. durch die Angleichung von Kostenbestandteilen), die Auswirkungen auf Absatzpreise, die Möglichkeit eines diskriminierungsfreien Zugangs zu der jeweiligen Kooperation, die Erarbeitung der Nachhaltigkeitsaspekte in einem offenen Prozess sowie ausreichende Transparenz für den Verbraucher.15

2023 hat sich das BKartA erneut mit der „Initiative Tierwohl“ befasst, einem Branchenbündnis, das zum Ziel hat, Tierhalter für die Verbesserung der Haltungsbedingungen zu honorieren. Kernelement war bis 2023 die Zahlung eines einheitlichen Aufschlags an die Tierhalter. Diese einheitlichen Aufschläge hatte das BKartA aufgrund des Pioniercharakters der Initiative für eine Übergangsphase toleriert.16 Das BKartA hat nunmehr aufgrund der grundsätzlichen wettbewerblichen Bedenken darauf hingewirkt, dass der bislang geltende verpflichtende Preisaufschlag für die Abnehmer der teilnehmenden Erzeugerbetriebe zum Jahr 2024 abgeschafft und stattdessen eine unverbindliche Empfehlung für eine Finanzierung der mit den Tierwohlkriterien verbundenen Mehrkosten eingeführt wird.17

Für eine tiefergehende Prüfung des Forums Nachhaltiger Kakao e.V. sah das BKartA hingegen keine Veranlassung.18 Hauptziel des Kakaoforums ist die Förderung existenzsichernder Einkommen der Kakaobäuerinnen und -bauern in den relevanten Produktionsländern Ghana und Elfenbeinküste. Die Mitglieder des Forums sollen dazu freiwillige Selbstverpflichtungen über individualisierte Mindestpreise, Quoten und Prämiensysteme abschließen, um bessere Ab-Hof-Preise für die Erzeugerseite zu erreichen. Die Initiative sieht hingegen keine einheitlichen Preisaufschläge vor. Außerdem ist die vorgesehene Selbstverpflichtung freiwillig, sodass das BKartA keine Anzeichen für eine drohende Wettbewerbsbeschränkung sah.

Wettbewerbsregister

Mit dem Wettbewerbsregister wurde 2021 das erste vollständig digitalisierte staatliche Register eingeführt. Seit Juni 2022 sind öffentliche Auftraggeber ab einem Auftragswert von EUR 30.000 dazu verpflichtet, Bieterinformationen im Register (mittels elektronischer Abfrage) zu prüfen. Eingetragene Rechtsverstöße (einschließlich Kartellrechtsverstöße) eines Unternehmens können einen Ausschluss aus dem öffentlichen Vergabeverfahren begründen.19 Einträge aufgrund eines Kartellrechtsverstoßes werden nach drei Jahren aus dem Register gelöscht, wobei Unternehmen eine vorzeitige Löschung im Wege des Selbstreinigungsverfahrens beantragen können. Hierbei erfolgt die vorzeitige Löschung, sofern das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Löschung glaubhaft macht und die Selbstreinigung für die Zwecke des Vergabeverfahrens nachgewiesen hat.20

2023 wurden etwa 5.500 Wirtschaftsdelikte in das Wettbewerbsregister eingetragen. Pro Tag erfolgen etwa 1.000 Abfragen von öffentlichen Auftraggebern. Seit Start des vollen Wirkbetriebs des Registers im Juni 2022 sind bereits 390.000 Abfragen erfolgt. Außerdem sind beim BKartA 27 Anträge auf vorzeitige Löschung wegen Selbstreinigung eingegangen, wobei diesen in 16 Fällen stattgegeben wurde, vier Anträge zurückgenommen wurden und sich weitere sieben noch im Verfahren befinden.

Kommentar

Das BKartA war im Jahr 2023 erneut auf die Kartellverfolgung fokussiert, auch wenn die insgesamt ergangenen Bußgelder dieses Bild nicht widerspiegeln. Daher ist insgesamt in den kommenden Jahren wieder mit einem Anstieg der Bußgelder zu rechnen. Im Bereich der Fusionskontrolle blieb die Anzahl der geprüften Verfahren im Vorjahresvergleich konstant. Auch die Missbrauchskontrolle konzentrierte sich auf Branchen, die bereits in der Vergangenheit vom BKartA schwerpunktmäßig betrachtet wurden: Energie- und Digitalmärkte sowie der LEH. Auch im kommenden Jahr ist damit zu rechnen, dass diese Branchen unter Beobachtung bleiben. Ebenso werden Nachhaltigkeitsinitiativen eine wichtige Rolle spielen. Hierbei bleibt die Einzelfallprüfung bezüglich der Kartellrechtskonformität notwendig. Die bei Inkrafttreten der 11. GWB-Novelle am 7. November 202321 bereits angekündigte 12. GWB-Novelle soll sich neben Themen des Verbraucherschutzes insbesondere auch mit Nachhaltigkeit befassen.

 

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