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03.07.2023

Whistleblower und Kronzeugen

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet Unternehmen zur Einrichtung von Meldestellen zum Schutz von Hinweisgebern

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG“)1 zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/19372 („Whistleblowerrichtlinie“), das vom Bundestag mit eineinhalbjähriger Verspätung am 11. Mai 2023 verabschiedet wurde, ist gestern, am 2. Juli 2023, endlich in Kraft getreten. Durch das HinSchG soll ein umfassender Schutz von „Whistleblowern“ oder Hinweisgebern, die Informationen über bestimmte Rechtsverstöße an eine Meldestelle leiten, im beruflichen Umfeld sichergestellt werden. Unternehmen trifft nunmehr insbesondere die Pflicht zur Einrichtung entsprechender Meldekanäle sowie zur Einhaltung des im Gesetz diesbezüglich vorgeschriebenen Verfahrens.

Als „Whistleblower“ oder Hinweisgeber werden Personen bezeichnet, die für die Öffentlichkeit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang veröffentlichen oder Missstände aufdecken. Das HinSchG verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen Unternehmen zur Schaffung eines Meldesystems, in dem es Whistleblowern möglich ist, in geschütztem Rahmen Informationen zu Rechtsverstößen zu melden.

Inhalt des HinSchG

Welche Pflichten normiert das Gesetz?

Unternehmen ab 50 Mitarbeitern werden verpflichtet interne Meldestellen einzurichten, die Meldungen von Hinweisgebern gegen Rechtsverstöße entgegennehmen und bearbeiten. Während Unternehmen ab 250 Beschäftigten die Pflichten des HinSchG ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens treffen, wird kleineren Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten hierfür eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 eingeräumt, vgl. § 42 Abs. 1 HinSchG. Kleinere Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten können außerdem eine gemeinsame Meldestelle einrichten. Unternehmen der Finanzbranche sind unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl zur Einrichtung einer Meldestelle ab Inkrafttreten des HinSchG verpflichtet. Hinweisgebern steht ein Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung (z.B. Meldestelle des Bundeskartellamts, vgl. § 22 Abs. 1 HinSchG) zu. Beschäftigungsgeber sollen allerdings ausdrücklich Anreize (z.B. durch wirksames Vorgehen gegen Verstöße) schaffen, die zur Priorisierung der internen Meldestelle durch die Hinweisgeber führen.

Der im ursprünglichen Entwurf vorgesehene anonyme interne Meldekanal ist aus dem Gesetzestext gestrichen worden. Es wird nunmehr lediglich vorgegeben, dass die Stellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollten. Informationen über Verstöße fallen nur in den Anwendungsbereich des HinSchG, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, zu der der Hinweisgeber im beruflichen Kontakt steht, beziehen. Nach Abgabe eines Hinweises an eine interne Meldestelle, hat das Unternehmen angemessene Folgemaßnahmen (z.B. Compliance-Untersuchungen) zu ergreifen. Hierüber muss der Hinweisgeber binnen drei Monaten informiert werden.

Konzernlösung möglich?

Zwar müssen gemäß § 12 HinSchG verpflichtete Unternehmen eine eigene interne Meldestelle einrichten, allerding erlaubt § 14 HinSchG einen „Dritten“ mit der Einrichtung zu beauftragen. Hiernach ist es denkbar, dass innerhalb eines Konzerns eine Konzerngesellschaft die Meldestelle für mehrere selbstständige Unternehmen des Konzerns einrichtet. Die Verantwortung, den Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, muss hierbei allerdings bei dem jeweils verpflichteten Unternehmen verbleiben. Eine gewisse Rechtsunsicherheit bezüglich der Konzernlösung bringen allerdings neben Umsetzungsfragen insbesondere Aussagen der EU Kommission mit sich, die die zentrale Konzernlösung ablehnt.

Schutz der Hinweisgeber und Sanktionen

Der Gesetzesentwurf untersagt jegliche Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen, die gegen Hinweisgeber gerichtet sind. Kommt es bei dem Hinweisgeber im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit zu einer Benachteiligung, so wird vermutet, dass es sich hierbei um eine Repressalie handelt. Verstöße gegen wesentliche Regelungen des HinSchG gelten außerdem als Ordnungswidrigkeiten, die bußgeldbewehrt sind, vgl. § 40 HinSchG. Bußgelder drohen beispielsweise Unternehmen, die keine interne Meldestelle einrichten, Meldungen behindern oder Repressalien gegen Hinweisgeber ergreifen. Die Obergrenze für Bußgelder liegt bei EUR 50.000.

HinSchG und Kartellrecht

Anwendungsbereich

Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Whistleblowerrichtlinie können die Mitgliedstaaten im Rahmen der nationalen Umsetzungsgesetze neben dem europäischen Recht auch nationale Rechtsgebiete bestimmen, die von den Regelungen zum Hinweisgeberschutz umfasst sind. Der deutsche Gesetzgeber hat hiervon Gebrauch gemacht. § 2 HinSchG zählt abschließend die Informationen zu Verstößen auf, deren Meldung geschützt ist. Hierzu zählen insbesondere, neben Verstößen, die ohnehin straf- oder bußgeldbewehrt sind, auch explizit Verstöße gegen das deutsche und das europäische Kartellrecht sowie die Vorschriften des europäischen Digital Markets Act. Im Transaktionskontext liegt das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot bereits aufgrund des ausdrücklichen Verweises auf Kartellrechtsverstöße im Anwendungsbereich des HinSchG. Dagegen sind Hinweisgeber bei der Meldung von Verstößen gegen das ebenfalls mögliche investitionskontrollrechtliche Vollzugsverbot3 nur bei vorsätzlichen, d.h. strafbewehrten4, Verstößen entsprechend geschützt.

Whistleblower und Kronzeugen

Das deutsche und europäische Kartellrecht kennt bereits Meldemöglichkeiten von Kartellrechtsverstößen, insbesondere im Rahmen der Kronzeugenprogramme der Kartellbehörden. Die Kooperation durch Kronzeugen ermöglicht den Behörden die Einleitung von Ermittlungen und erleichtert die Sachverhaltsaufklärung bei (mutmaßlichen) Kartellrechtsverstößen. Bereits im Rahmen dieser Programme, die als zentrale Bausteine effektiver Kartellverfolgung gelten, spielt der Schutz der Kronzeugen eine große Rolle. So hat zuletzt die EU Kommission neue Kronzeugenleitlinien in Form einer FAQ-Liste5 veröffentlicht, die insbesondere die Möglichkeit eines anonymen Austauschs über etwaige Kronzeugenanträge ohne Offenlegung von Details, die das Kartell identifizierbar machen könnten, erörtert.

Während Kronzeugenanträge durch Unternehmen in den letzten Jahren eher rückläufig sind, verzeichnet das bereits 2017 angelaufene europäische Whistleblower-Tool, das eine externe Meldestelle auf europäischer Ebene darstellt, rund 100 Meldungen jährlich zu kartellrechtswidrigen Praktiken.6

Kommentar

Unternehmen sollten sich mit den Vorgaben des HinSchG ausführlich auseinandersetzen. Die Möglichkeit zur internen Aufklärung von möglichen Verstößen durch interne Meldestellen stellt erneut die Bedeutung umfassender Compliancemaßnahmen klar heraus. Da bezüglich der Einrichtung und des Betreibens der Meldestellen Rechtsunsicherheiten bestehen, sollte dies stets von Experten begleitet werden.

 

Diese Veröffentlichung wurde ausschließlich zu Informationszwecken erstellt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine Rechtsberatung dar. Jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung der Informationen sowie ihrer Richtigkeit wird ausgeschlossen.