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28.12.2022

Die EU-Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende Subventionen aus Drittstaaten

Fusionskontrolle, Investitionskontrolle und nun Subventionskontrolle – die neue Realität für die Transaktionspraxis innerhalb der Europäischen Union

Das Europäische Parlament und der Rat haben am 14. Dezember 2022 die Verordnung (EU) 2022/2560 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (“DSVO”)1 verabschiedet. Die DSVO findet in Transaktionen mit in der EU niedergelassenen Zielunternehmen (bzw. Gemeinschaftsunternehmen) neben den fusions- und investitionskontrollrechtlichen (sog. „foreign direct investments“ (“FDI”))2 Regelungen Anwendung, wenn zumindest ein beteiligtes Unternehmen in der EU wirtschaftlich tätig ist und in den letzten drei Jahren finanziellen Zuwendungen von Drittstaaten erhalten hat. Erfasste Zusammenschlüsse (d.h. Kontrollerwerb, Fusionen und die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen) unterliegen bei Erreichen der relevanten Schwellen einer Anmeldepflicht bei der Europäischen Kommission (“Kommission“) gemäß Art. 20 Abs. 3 DSVO. Neben einer Umsatzschwelle gilt eine zusätzliche zweite Schwelle, die auf von Drittstaaten erhaltene finanzielle Zuwendungen (i.H.v. EUR 50 Mio.) aus den letzten drei Jahren abstellt. Im Fall einer Anmeldepflicht nach der DSVO unterliegt der Zusammenschluss einem Vollzugsverbot.

Status quo vs. DSVO

Der EU-Binnenmarkt wird durch das Wettbewerbsrecht, die EU-Beihilferegeln und nationale Investitionskontrolle geschützt. Die EU-Fusionskontrolle bzw. nationale Fusionskontrollregime schützen den Wettbewerb im Binnenmarkt vor wettbewerbswidrigen Auswirkungen von in- und außerhalb der EU stattfindenden Zusammenschlüssen unter Zugrundelegung der Marktstellung der beteiligten Unternehmen. Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Beihilfen bzw. Subventionen aus öffentlichen Mitteln werden durch das EU-Beihilferecht verhindert. Darüber hinaus zielen nationale Regelungen zur Investitionskontrolle auf die Wahrung mitgliedsstaatlicher Interessen in Transaktionen mit Investoren außerhalb der jeweiligen Mitgliedsstaaten bzw. der EU/EFTA ab. Alle diese Regelungen – mit Ausnahme des Beihilferechts (das nur für Beihilfen innerhalb der EU gilt) – schützen den Binnenmarkt vor Aktivitäten in- und außerhalb der EU. Ergänzend hierzu soll die DSVO direkte und indirekte Wettbewerbsverzerrungen durch von außerhalb der EU getätigte Subventionen durch Drittstaaten mit tatsächlichen oder potentiellen negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt verhindern.

Die Regelung der DSVO gelten in der EU ab dem 12. Juli 2023. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind Zusammenschlüsse, für die zu diesem Zeitpunkt bereits der Vertrag geschlossen (d.h. unterzeichnet), das öffentliche Übernahmeangebot angekündigt oder eine die Kontrolle begründende Beteiligung erworben worden ist.3 Die Anmeldepflicht für Zusammenschlüsse tritt erst drei Monate später ab dem 12. Oktober 2023 in Kraft.

Anmeldepflicht

Die Anmeldepflicht aus Art. 20 Abs. 3 DSVO gilt für alle Zusammenschlüsse i.S.d. DSVO (erfasst sind ähnlich der EU-Fusionskontrolle der Erwerb von Kontrolle, Fusionen und die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens), wenn

  1. das erworbene Unternehmen, eins der fusionierenden Unternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen in der EU niedergelassen ist und im vorangegangenen Geschäftsjahr in der EU einen Gesamtumsatz in Höhe von mindestens EUR 500 Mio. erzielte (erfasst ist jeweils die gesamte wirtschaftliche Einheit, d.h. auch die Tochtergesellschaften der jeweiligen Unternehmen), und
  2. die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen – einschließlich der Erwerber und Joint-Venture-Partner – gemeinsam von Drittstaaten finanzielle Zuwendungen in Höhe von mindestens EUR 50 Mio. in den letzten drei Kalenderjahren erhalten haben.

Neben der entsprechend den Regelungen zur EU-Fusionskontrolle zu berechnenden Umsatzschwelle ist die Prüfung finanzieller Zuwendungen für die zweiten Schwelle deutlich komplexer.

Die neue Schwelle im Einzelnen: Finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten in Höhe von EUR 50 Mio. in den letzten drei Jahren

Für die Berechnung der von Drittstaaten erhaltenen finanziellen Zuwendungen sind zunächst die relevanten Parteien zu bestimmen: Im Fall des Kontrollerwerbs sind diese der oder die Erwerber und das Zielunternehmen. Im Fall einer Fusion sind es die fusionierenden Unternehmen. Bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens gelten neben dem Gemeinschaftsunternehmen selbst auch die Joint-Venture-Partner als für die Berechnung relevante Beteiligte (Art. 20 Abs. 3 lit. b DSVO).

Maßgeblich sind jeweils finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten gegenüber der gesamten wirtschaftliche Einheit, d.h. auch gegenüber Tochtergesellschaften.

Im zweiten Schritt ist das tatsächliche Vorliegen einer finanziellen Zuwendung von Drittstaaten gemäß Art. 3 Abs. 2 DSVO zu prüfen. Erfasst sind

(a) der Transfer von Geldern oder Verbindlichkeiten, wie Kapitalzuführungen, Zuschüsse, Kredite, Kreditgarantien, steuerliche Anreize, Ausgleich von Betriebsverlusten, Ausgleiche für von den öffentlichen Behörden auferlegten finanzielle Belastungen, Schuldenerlasse, Schuldenswaps oder Umschuldung,

(b) der Verzicht auf fällige Einnahmen, wie Steuerbefreiungen oder die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte ohne angemessene Vergütung, oder

(c) die Bereitstellung oder den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen,

sofern diese jeweils von Regierungen bzw. Behörden von Drittstaaten (auf allen Ebenen) bzw. von ausländischen öffentlichen oder privaten Einrichtungen, deren Handlungen einem Drittstaat zuzurechnen sind, gewährt wurden.

Für Unternehmen mit geplanten Aktivtäten im M&A-Bereich erscheint es sinnvoll, möglicherweise erfasste finanzielle Zuwendungen aus Drittstaaten zur Erleichterung künftiger Prüfungen von DSVO-Anmeldepflichten bereits jetzt aktiv zu monitoren.

Verpflichtung zur Anmeldung

Die Kommission ist gemäß Art. 21 Abs. 5 DSVO ermächtigt für noch nicht vollzogene Zusammenschlüsse die Einreichung einer Anmeldung zu verlangen, auch wenn die Schwellenwerte des DSVO nicht erreicht werden (sog. „ex-officio“-Prüfung). Die Kommission ist hierzu bereits berechtigt, wenn sie vermutet, dass beteiligte Unternehmen in den letzten drei Jahren vor dem Zusammenschluss drittstaatliche Subventionen erhalten haben könnten.

Materielle Prüfung im Rahmen der DSVO

Bei der materiellen Prüfung hat die Kommission zunächst zu beurteilen, ob die von Drittstaaten erhaltenen finanziellen Zuwendungen überhaupt als drittstaatliche Subvention im Sinne der DSVO zu qualifizieren sind. Eine solche liegt vor, wenn eine finanzielle Zuwendung eines Drittstaats einem im Binnenmarkt tätigen Unternehmen einen Vorteil verschafft, und wenn die Zuwendung rechtlich oder tatsächlich auf ein oder mehrere Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt ist (Art. 3 Abs. 1 DSVO).

Anschließend prüft die Kommission im Rahmen einer Gesamtwürdigung (auch bzgl. der Vor- und Nachteile der ausländischen Subvention), ob eine Wettbewerbsverzerrung auf dem Binnenmarkt vorliegt (Art. 19 DSVO und Art. 4-5 DSVO). Dies ist der Fall, wenn die ausländische Subvention dazu geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Unternehmens im Binnenmarkt zu verbessern und dabei den Wettbewerb im Binnenmarkt tatsächlich oder potenziell zu beeinträchtigen. Relevante Abwägungskriterien sind die Art und Höhe der ausländischen Subvention, die Situation des betroffenen Unternehmens und der relevanten Märkte, sowie der Umfang der Tätigkeit des Unternehmens in der EU und der zugrundeliegende Zweck bzw. die Bedingungen der erhaltenen Subventionen.

(a) Eine Wettbewerbsverzerrung ist wahrscheinlich, wenn einerseits die ausländische Subvention zur unmittelbaren Erleichterung des geprüften Zusammenschlusses gewährt wird, und andererseits bei unbegrenzten Garantien, Zuwendungen außerhalb der OECD-Regeln, Zuwendungen die zu günstige Angebote in Vergabeverfahren ermöglichen sowie bei Umstrukturierungen notleidender Unternehmen ohne tragfähigen Restrukturierungsplan.

(b) Eine Wettbewerbsverzerrung ist unwahrscheinlich, wenn der Gesamtbetrag der von einem Unternehmen erhaltenen ausländischen Subventionen unter EUR 4 Mio. liegt.

(c) Drittstaatliche Subventionen gelten nicht als wettbewerbsverzerrend, wenn sie unter der De-minimis-Schwelle (i.d.R. EUR 200.000 in drei Jahren pro Drittstaat) liegen, oder darauf abzielen “einen von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen verursachten Schaden zu beheben“, was wohl auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen von COVID-19 und der Ukraine-Krise zurückzuführen ist (siehe Art. 4 Abs. 2-4 DSVO).

Verfahren

Nach Eingang der vollständigen Anmeldung und dessen Bestätigung durch die Kommission, beträgt die Frist in Phase I – dessen Verfahren unabhängig von der Fusionskontrolle geführt wird – 25 Arbeitstage. Sofern die Kommission den geplanten Zusammenschluss nicht innerhalb dieser Frist freigibt, wird sie ein Phase II-Verfahren mit einer Prüffrist von 90 Arbeitstagen eröffnen. Im Fall von angebotenen Verpflichtungszusagen (bspw. die Rückzahlung ausländischer Subventionen, eine Zugangsgewährung zu Vermögenswerten für Dritte, die Anpassung der Corporate Governance oder die Reduzierung der Marktpräsenz bzw. Veräußerungen) kann die Frist um weitere 15 Arbeitstage verlängert werden. Für 2023 hat die Kommission zudem bereits einen Entwurf für eine Durchführungsverordnung mit Leitlinien für das Anmeldeverfahren und das einzureichende Formblatt angekündigt. Bei einem Verstoß gegen das Vollzugsverbot drohen Geldbußen von bis zu 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr. Daneben können im Fall von bspw. irreführenden Angaben Geldbußen i.H.v. 1 % des weltweiten Umsatzes eines Unternehmens verhängt werden. Die Ermittlungsbefugnisse im Rahmen der DSVO sind sehr weitreichend (bspw. durch Ermittlungen in Drittländern unter Zustimmung des betreffenden Unternehmens und der Regierung). Bei unbeantworteten Auskunfts- und Ermittlungsersuchen kann die Kommission auf Grundlage verfügbarer Informationen entscheiden (Art. 16 DSVO).

Eine Verordnung mit drei Säulen

Neben einer Anmeldepflicht als erste Säule der DSVO ist die Kommission zudem befugt, ausländische Subventionen außerhalb von Transaktionen von Amts wegen zu prüfen (zweite Säule). Gemäß der dritten Säule der DSVO müssen Bieter ihre Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen mit Volumen von über EUR 250 Mio. bei der Kommission anzeigen, wenn sie in den letzten drei Jahren aus demselben Drittstaat finanzielle Zuwendungen i.H.v. mehr als EUR 4 Mio. erhalten haben (Art. 28 DSVO).

Kommentar

Das neue DSVO-Regime ist ein weiteres Beispiel für den aufkommenden Trend, Investitionen aus Drittstaaten in der EU verstärkt zu kontrollieren.  Die an Transaktionen beteiligten Unternehmen werden das DSVO-Regime, neben den bereits bestehenden Fusions- und Investitionskontrollregimen, vor allem als eine zusätzliche bürokratische Hürde ansehen. Wichtig ist jedoch, dass Unternehmen in M&A-Transaktionen die Prüfung einer Anmeldepflicht nach der DSVO in ihre Checklisten mit aufnehmen. Wie viele Verfahren tatsächlich von der DSVO erfasst werden, wird sich in der Praxis zeigen. Die Kommission geht bisher, auch angesichts der hohen Schwellenwerte, lediglich von einer zweistelligen Anzahl von Verfahren pro Jahr aus.

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