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08.02.2024

Kartellrecht und Sport

In den drei Entscheidungen European Super League, International Skating Union und Royal Antwerp Football Club stellt der EuGH erneut klar, dass sich auch Sportverbände am Kartellrecht messen lassen müssen

Der Europäische Gerichtshof hat das Jahr 2023 mit einem Dreiklang an Entscheidungen zum Sportkartellrecht verabschiedet. Im Urteil European Super League1 stellte der EuGH fest, dass die derzeitigen Regelungen von FIFA und UEFA zur vorherigen Genehmigung durch diese Verbände für von Dritten organisierte internationale Wettbewerbe (wie einer sog. Super League), gegen das Kartellverbot verstoßen und FIFA und UEFA insoweit ihre marktbeherrschenden Stellungen missbrauchen. Auch im Urteil ISU2 sah der EuGH bestimmte Vorgaben der International Skating Union als Verstoß gegen das Kartellrecht an. Schließlich hielt der EuGH im Urteil Royal Antwerp Football Club3 bezüglich sog. Homegrown Player Rules kartellrechtliche Verstöße für möglich.

Hintergrund: Kartellrecht ist auch im Sportbereich anwendbar

Kartellrechtliche Vorgaben sind grundsätzlich auf Beschlüsse, Verträge oder Verbandsregelwerke im Bereich des Sports anwendbar, selbst wenn es um Vorschriften mit rein sportlichem Charakter wie beispielweise Regelungen zur Dopingkontrolle geht. Es gibt keine gesetzliche Sonderausnahme vom Kartellrecht für den Bereich Sport, auch nicht nach dem sog. Sportartikel des Art. 165 AEUV, wonach die Unionsorgane die besonderen Merkmale des Sports bei ihren Handlungen berücksichtigen sollen. Nach dem Meca-Medina-Urteil des EuGH4 bzw. der sog. Wouters Doktrin5 kann indes eine auf den Sport angewandte Ausnahme vom Kartellverbot gegeben sein, was bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen anhand des folgenden dreistufigen Tests zu prüfen ist:

  • In welchem Gesamtzusammenhang steht die fragliche Verhaltensweise und was ist ihre (legitime) Zielsetzung?
  • Steht die Wettbewerbsbeschränkung mit der Verfolgung der genannten Ziele in einem notwendigen Zusammenhang?
  • Ist die Wettbewerbsbeschränkung mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig?

Urteil “European Super League (ESL)”

Nachdem zwölf europäische Spitzenvereine aus Spanien, Italien und Großbritannien die European Superleague Company (ESLC) gegründet und das Projekt „Super League“, einen internationalen Wettbewerb dieser zwölf Vereine, bekannt gemacht hatten, verkündeten FIFA und UEFA öffentlich, dass sie die Super League keinesfalls genehmigen und Vereine und Spieler, die sich daran beteiligen, von den eigenen Wettbewerben ausschließen würden. ESLC klagte daraufhin gegen FIFA und UEFA vor dem Handelsgericht in Madrid. Dieses untersagte FIFA und UEFA im Wege der einstweiligen Verfügung, irgendwelche Maßnahmen gegen das Projekt Super League zu ergreifen und legte gleichzeitig dem EuGH Vorlagefragen vor.

Der EuGH akzeptierte grundsätzlich die Möglichkeit von Monopolverbänden, über die Aufnahme von Konkurrenzveranstaltungen durch Dritte im Sinne des Sports mitzuentscheiden, diese also von einer Genehmigung abhängig zu machen, verlangt dafür im Hinblick auf die Wettbewerbssituation und die Härte der Sanktionen gegen Vereine und Spieler aber klar definierte materielle Voraussetzungen und detaillierte prozedurale Regeln, die sicherstellen, dass das Genehmigungserfordernis transparent, objektiv, nicht-diskriminierend und verhältnismäßig gehandhabt wird. Die gegenwärtigen Regelungen stellen die Genehmigung von Konkurrenzveranstaltungen durch die FIFA und die UEFA allerdings alleine in das Ermessen dieser Verbände und stellen deshalb sowohl den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) als auch bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen (Art. 101 AEUV) dar.

Urteil „International Skating Union (ISU)“

In der Rechtssache ISU ging es ähnlich dem Super-League-Fall um Zulassungsbestimmungen der ISU, dem internationalen Dachverband für Eiskunstlauf und Eisschnelllauf. Die in Frage stehenden Bestimmungen sahen u.a. vor, dass Eisläufer/-innen nur an Wettkämpfen teilnehmen dürfen, die vorher von der ISU genehmigt wurden. Andenfalls greifen harte Sanktionsmechanismen. Eine Schiedsklausel sieht die ausschließliche Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sports (CAS) für Einsprüche gegen Maßnahmen der ISU vor.

Die EU-Kommission erließ 2017 wegen dieser Zulassungsbestimmungen einschließlich der Schiedsklausel auf der Grundlage des Kartellverbots des Art. 101 AEUV eine Abstellverfügung gegen die ISU. Diese Entscheidung bestätigte nun der EuGH und befand, dass die Zulassungsbestimmungen eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung enthielten, wobei die Begründung mit der in dem Urteil ESL identisch ist. Ferner sei auch die Schiedsklausel unzulässig, da nicht sichergestellt sei, dass ein Schiedsspruch von einem Gericht im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 101 und 102 AEUV überprüft werden kann.6

Urteil „Royal Antwerp Football Club (RAFC)“ und die sog. Homegrown Players Rules (HPR)

In der Rechtssache RAFC legte ein belgisches Gericht dem EuGH u.a. die Frage vor, ob HPR, die von der UEFA und dem belgischen Fußballverband aufgestellt werden, mit dem Kartellrecht vereinbar seien. Nach diesen Regelungen müssen Profifußballvereine, die an von den Verbänden organisierten internationalen Wettbewerben teilnehmen, eine Mindestanzahl von Spielern/-innen aufstellen, die in ihrer Jugend mind. drei Jahre lang von einem bzw. dem aufstellenden Verein des nationalen Fußballverbands ausgebildet wurden.

Der EuGH befand, dass die HPR grundsätzlich das Ziel oder zumindest den Effekt haben können, die Fußballvereine im Wettbewerb (sowohl mit Blick auf die Einstellung talentierter Spieler/-innen als auch im Interclub-Wettbewerb selbst) zu beschränken. Letztlich müsse aber das vorlegende Gericht entscheiden, ob dies tatsächlich Ziel oder Effekt der konkreten Regeln sei.

Kommentar und Ausblick

Mit den drei Urteilen bestätigt der EuGH seine Rechtsprechung zur generellen Anwendbarkeit des Kartellrechts auf den Sport und v.a. die Regelsetzung durch Sportverbände. Interessanterweise stuft das Gericht die von ISU und UEFA/FIFA aufgestellten Verbandsregeln als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen ein, auf die (der nur für bewirkte Beschränkungen geltende) Meca-Medina-Test gerade keine Anwendung findet, sodass nur eine allgemeine Freistellung vom Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht kommt. Die Urteile des EuGH lassen mit Spannung auf die derzeit dort anhängigen Vorlagefragen7 zur Vereinbarkeit von Regelungen von DFB und FIFA über Vergütungen für Spielervermittler/-innen blicken. Auch kündigte das Bundeskartellamt an, die jüngsten EuGH Urteile im dem Verfahren zur Bewertung der 50+1 Regel zu berücksichtigen.

Abseits des Kartellrechts dürfte mit dem Rückzug der englischen Spitzenklubs das Projekt Super League wohl gescheitert sein. Rein kartellrechtlich kann die Super League dagegen derzeit nicht geprüft und schon gar nicht untersagt werden. Dies könnte sich ändern, wenn FIFA und UEFA in Zukunft transparente, objektive, nicht-diskriminierende und verhältnismäßige Genehmigungskriterien für Wettbewerbe aufstellen. Das Urteil ist damit für alle Parteien wohl eher als Unentschieden einzustufen.

Diese Veröffentlichung wurde ausschließlich zu Informationszwecken erstellt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine Rechtsberatung dar. Jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung der Informationen sowie ihrer Richtigkeit wird ausgeschlossen.

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Quellen

  1. EuGH, Urt. v. 21.12.2023, C-333/21European Super League (Urteil noch nicht auf Deutsch verfügbar).
  2. EuGH, Urt. v. 21.12.2023, C-124/21 PInternational Skating Union (Urteil noch nicht auf Deutsch verfügbar).
  3. EuGH, Urt. V. 21.12.2023 – C-680/21Royal Antwerp Football Club (Urteil noch nicht auf Deutsch verfügbar).
  4. EuGH, Urt. v. 18.7.2006 – C-519/04 PMeca-Medina.
  5. EuGH, Urt. v. 19.2.2002, C-309/99Wouters.
  6. Für Deutschland hat der BGH diese Überprüfbarkeit jüngst bestätigt, siehe Urt. v. 27.09.2022, KZB 75/21.
  7. Vorabentscheidungsersuchen des LG Mainz v. 30.3.2023, Az. 9 O129/21 und des BGH v. 13.6.2023, Az. KRZ 71/21Reglement für Spielervermittler.

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