Die Europäische Kommission („Kommission“) hat am 15. Januar 2025 eine Empfehlung1 abgegeben zur Überprüfung von Investitionen in Drittstaaten in Technologiebereichen von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Sicherheit der Union. Die Mitgliedsstaaten werden darin zur Einführung nationaler Überprüfungsregime für das Screening von Investitionen durch EU-Investoren in Drittstaaten („Outbound-Investments“) in den durch die Kommission als kritisch erachteten Schlüsseltechnologien aufgefordert. Ziel der umzusetzenden Regelungen ist die Aufdeckung und Bewertung von möglichen Sicherheitsrisiken und Lücken in den bestehenden Strategien der EU. Diese sehen im Rahmen der Investitionskontrolle (für sog. Foreign Direct Investments („FDI“)) bisher nur die Überprüfung von Investitionen durch auswärtige Investoren in europäische Zielgesellschaften durch die Mitgliedsstaaten vor („Inbound-Investments“). Die umzusetzenden Regelungen sollen von den Mitgliedsstaaten zunächst für 15 Monate umgesetzt und anschließend evaluiert werden. Nach dem 1. Januar 2021 vollzogene Investitionen sollen auch rückwirkend überprüft werden können, „besonders besorgniserregende“ Investitionen auch noch weiter in der Vergangenheit.
Die Empfehlung dient der Umsetzung der europäischen Strategie für wirtschaftliche Sicherheit2 mit dem Zweck der Sicherung von Lieferketten, kritischen Infrastrukturen und Technologien sowie der Verhinderung wirtschaftlicher Abhängigkeiten und des Abflusses von Know-how ins Ausland. Die zur Überprüfung gestellten Technologiebereiche sind Fortschrittliche Halbleitertechnologien, Künstliche Intelligenz und Quantentechnologien („Schlüsseltechnologien“, vgl. Ziff. 1 (a) – (c) der Empfehlung). Diese Schlüsseltechnologien sind aus Sicht der Kommission mit „sensibelsten und unmittelbaren Risiken“ für die Sicherheit und einem möglichen Abfluss von Technologie verbunden. Ihnen kommt grundlegende transformative Bedeutung für das moderne Leben zu und ihre Potentiale können für zivile und militärische Anwendungen eingesetzt werden. Während Fortschrittliche Halbleiter in elektronischen Geräten aller kritischen Bereiche (bspw. Kommunikation, Gesundheit, Verkehr, Verteidigung und Weltraum) eingesetzt werden, ist Künstliche Intelligenz schon jetzt von entscheidender Bedeutung für die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen, einschließlich dem Ableiten von Entscheidungen und Prognosen. Dem gegenüber sind die vollen Potentiale von zukünftigen Quantentechnologien und die damit verbundenen Folgen noch nicht vollständig abschätzbar.3
Die von den Mitgliedsstaaten einzuführenden nationalen Regelungen zur Überprüfung von Outbound-Investments betreffen das Screening von durch
Die zu erfassenden Investitionstatbestände sind durch die Kommission offen definiert und sollen u.a. explizit die folgenden Transaktionen erfassen, wobei sich der Unternehmensbegriff anders als in der Fusionskontrolle nur auf einzelne Gesellschaften bezieht. Neben den aus der Fusionskontrolle bekannten Tatbeständen des Erwerbs von Kontrolle über ein Unternehmen, der Fusion sowie Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens (durch Bündelung von Ressourcen), sollen auch die folgenden einseitigen Verhaltensweisen eines Unternehmen in einem Drittstaat erfasst werden:
Da der Begriff eines Unternehmens nur an einzelne Gesellschaften anknüpft, sollen sich die obigen Tatbestände auch auf sämtliche indirekten Investitionen eines Investors sowie denkbare Umgehungskonstellationen erstrecken. Somit sind Investitionen von EU-Investoren auch dann erfasst, wenn sie über bereits bestehende Tochtergesellschaften im Ausland umgesetzt werden. Insgesamt ausgenommen werden sollen bloße Minderheitsbeteiligungen und bestimmte Bank- und Wertpapiergeschäfte.
Die Kommission stellt es den Mitgliedsstaaten frei, ob die einzuführenden Regelungen zur Überprüfung von Outbound-Investments mit freiwilligen oder verpflichtenden Anmeldungen einhergehen (wobei bisher keine Vollzugsverbote angelegt sind) und ob diese in „bestehende Mechanismen“ eingebunden werden. Hiermit könnten bspw. die mitgliedsstaatlichen Investitionskontrollregime4 gemeint sein, die sich innerhalb der EU an der bisher unverbindlichen Verordnung (EU) 2019/4525 zur Schaffung eines Rahmen für die Überprüfung ausländische Direktinvestitionen in der EU orientieren („FDI-Screening-VO“). Diesbezüglich hatte die Kommission bereits letztes Jahr einen überarbeiteten Entwurf mit erstmals für die Mitgliedsstaaten verpflichtend einzuführenden Anmelderegimen vorgelegt.6
Im Rahmen des Überprüfungsmechanismus für Outbound-Investments sollen die Mitgliedsstaaten Informationen zu den betroffenen Parteien, den relevanten Waren, Dienstleistungen und Technologien sowie zu möglichen Vereinbarungen betreffend F&E und IP-Rechten, Schlüsselpersonal, weiteren Transaktionen und erhaltenen Subventionen erheben.
In materieller Hinsicht empfiehlt die Kommission den Mitgliedsstaaten die Durchführung einer Bewertung von Risiken für die wirtschaftliche Sicherheit der zu prüfenden Investitionen „mit Unterstützung der Kommission“. In diesem Zuge sollen mögliche Implikationen zu bestehenden EU-Projekten und -Programmen, sowie zu dem Abfluss von Technologie geprüft werden. Die relevanten Kriterien sind bspw. die Verfügbarkeit von Schlüsseltechnologien (einschließlich aktuellen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten), die Bewertung der zugrundeliegenden Wertschöpfungs- und Lieferketten und der Grad globaler Vernetzung. Bei festgestellten Risiken sollen die Mitgliedsstaaten im Rahmen der bestehenden Instrumente (bspw. der nationalen Ausfuhrkontrolle) eingreifen.
Nach dem Vorbild des 2024 in den USA eingeführten Mechanismus zur Prüfung von Outbound-Investments von US-Unternehmen in China ebnet die Kommission mit ihrer Empfehlung den Weg zu einem einheitlichen Vorgehen in der EU. Anders als die Regelung in den USA soll die Überprüfung von Outbound-Investments durch die Mitgliedsstaaten grundsätzlich „länderneutral“ erfolgen. Den Mitgliedsstaaten bleibt es nach den Ausführungen der Kommission jedoch unbenommen, bestimmte Länder auf Basis von Risikoprofilen zu priorisieren.
Mit der Empfehlung wird eine bisher offene „Flanke“ neben den bestehenden nationalen FDI-Screening-Regimen adressiert. Im Falle von tatsächlichen Bedenken im Hinblick auf den Abfluss von Technologie ist es nicht auszuschließen, dass die Mitgliedsstaaten im Rahmen ihrer Regelungskompetenzen auch über die Empfehlung der Kommission hinaus bereits entsprechende Eingriffsmaßnahmen regeln. Tätigkeiten europäischer Unternehmen im Ausland, bspw. durch Niederlassungen und Gemeinschaftsunternehmen vor Ort oder lokale Kooperationen sowie entsprechendes organisches Wachstum von Unternehmen im Ausland waren bisher aus Sicht der EU kontrollfrei.
Abhängig von dem Ausgang der Evaluierung auf den Vorstoß der Kommission scheint auch eine zukünftig verbindliche legislative Ausgestaltung auf EU-Ebene und die Erstreckung auf weitere Technologien möglich. Zukünftig erfasst werden könnten bspw. Biotechtechnologien, die neben den obigen Schlüsseltechnologien von der Kommission in den zuvor zitierten Empfehlungen aus 2023 ebenfalls als besonders kritisch erachtet wurden. Daneben hat die Kommission im „Joint White Papers for European Defence Readiness 2030“ jüngst auch Robotik- und Hyperschalltechnologien als Elemente für langfristiges Wirtschaftswachstum und militärische Überlegenheit bezeichnet.7 In den USA gibt es derzeit ähnliche Überlegungen zum Erfassen weiterer Technologien, bspw. im Hinblick auf fortschrittliche Fertigungstechnik gerichtete Energie und Weltraumtechnologien. Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
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