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25.08.2025

Die Entscheidung Delivery Hero/Glovo liefert Denkanstöße für nicht-kontrollierende Minderheitsgesellschafter

Die EU-Kommission hat die Lebensmittellieferanten Delivery Hero und Glovo wegen eines Kartells in Form von Abwerbeverboten, Informationsaustausch und Marktaufteilung mit Geldbußen belegt. Das Kartell wurde durch die nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligung von Delivery Hero an Wettbewerber Glovo erleichtert

Im Juni 2025 verhängte die EU-Kommission („Kommission“) Geldbußen gegen Delivery Hero (EUR 223 Millionen) und Glovo (EUR 106 Millionen) wegen Beteiligung an einem Kartell im Bereich der Online-Lebensmittellieferung.1 Die Entscheidung bietet nicht nur hilfreiche Maßstäbe für die kartellrechtliche Bewertung von Abwerbeverboten, ein Thema weit oben auf der Agenda der Wettbewerbsbehörden. Sie unterstreicht auch die Risiken, die mit nicht-kontrollierenden Minderheitsbeteiligungen an einem Wettbewerber verbunden sind, insbesondere im Hinblick auf den Austausch sensibler Geschäftsinformationen.

Sachverhalt

Im Jahr 2018 erwarb der Online-Lebensmittellieferdienst Delivery Hero eine nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligung von 15 % an Wettbewerber Glovo, erhöhte diese Beteiligung schrittweise und meldete im Juli 2022 den Erwerb der alleinigen Kontrolle über Glovo u.a. bei der Kommission an.

Die Minderheitsbeteiligung gewährte Delivery Hero eine Position im Board of Directors (BoD) von Glovo sowie bestimmte Rechte zur Teilnahme an dessen Entscheidungsprozess. Die Kommission stellte fest, dass die Minderheitsbeteiligung ein „Forum […] zur Koordinierung des Geschäftsverhaltens“ bot, das eine mehrschichtige wettbewerbswidrige Abstimmung zwischen den Wettbewerbern ermöglichte.

Die Kommission bebußte nach einem Vergleichsverfahren beide Unternehmen wegen (i) Absprachen, sich gegenseitig keine Mitarbeiter abzuwerben, (ii) Austausch sensibler Geschäftsnformationen und (iii) Aufteilung geografischer Märkte.

Abwerbeverbote (no-poach-Vereinbarungen)

Die zum Erwerb der Beteiligung geschlossenen Gesellschaftervereinbarungen (SHAs) enthielten gegenseitige Einstellungsverbote (no-hire), die es jedem Unternehmen untersagten, (i) Schlüsselpersonal des anderen Unternehmens aktiv abzuwerben und (ii) Schlüsselpersonal einzustellen, selbst wenn es sich aktiv auf eine offene Stelle beim anderen Unternehmen beworben hatte. Darüber hinaus vereinbarten Delivery Hero und Glovo ein allgemeines Abwerbeverbot (non-solicitation), um sich nicht aktiv gegenseitig Personal abzuwerben.

Die Kommission stellte fest, dass sowohl die Einstellungs- als auch die Abwerbeverbote bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten. Angesichts der nicht-kontrollierenden Beteiligung von Delivery Hero unterlagen die Einstellungsverbote in den SHAs nicht der Mitteilung der Kommission über notwendige Nebenabreden bei Unternehmenszusammenschlüssen.2 Darüber hinaus waren die Einstellungsverbote weder für die SHAs erforderlich noch verhältnismäßig, da sie (i) zeitlich und räumlich unbegrenzt, (ii) gegenseitig und (iii) nicht für alle Investoren gleichermaßen galten.

Informationsaustausch

Ausweislich der Entscheidung tauschten die Wettbewerber sensible Geschäftsinformationen entweder durch direkten Austausch, über Dokumente des BoD (z.B. Präsentationen oder Sitzungsprotokolle) oder durch Treffen und Gespräche zwischen den Führungskräften der Parteien aus, über die innerhalb des jeweiligen Unternehmens berichtet wurde. Die ausgetauschten Informationen betrafen strategische Wettbewerbsparameter wie aktuelle Preise und künftige Preisabsichten, aktuelle und künftige Produktionskapazitäten und Geschäftsstrategien, Prognosen zur künftigen Nachfrage und/oder zu Umsätzen und Kostenstrukturen/-elementen.

Die Kommission bewertete den Informationsaustausch als eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, die nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt war, die Investition von Delivery Hero zu schützen. Diese hätte durch den/die Vertreter von Delivery Hero in Glovos BoD geschützt werden können, ohne dass die sensiblen Informationen innerhalb der Delivery Heros Organisation weitergegeben werden mussten. Die Kommission stellte außerdem fest, dass während des Kontrollerwerbs im Jahr 2022 keine angemessenen kartellrechtlichen Schutzvorkehrungen getroffen wurden.

Marktaufteilung

Delivery Hero nutzte seine Position als Minderheitsgesellschafter, um die geografische Präsenz von Glovo im EWR zu beeinflussen. Die beiden Unternehmen vereinbarten, die nationalen Märkte für Online-Lebensmittellieferungen im EWR untereinander aufzuteilen, indem sie (i) alle bestehenden geografischen Überschneidungen zwischen ihnen beseitigten, (ii) den Eintritt in ihre jeweiligen nationalen Märkte vermieden und (iii) koordinierten, wer von ihnen in Märkte eintreten sollte, in denen noch keiner von ihnen vertreten war.

Kommentar

Die Kommission verhängt erstmal ein Bußgeld für die Vereinbarung von Abwerbeverbote und folgt dabei der Linie ihre Competition Policy Briefs aus Mai 2024.3 Bei der Vereinbarung von Abwerbeverboten in Transaktionsdokumenten gilt es zu beachten, dass Abwerbeverbote – wie Wettbewerbsverbote – zeitlich, sachlich und räumlich begrenzt sowie objektiv notwendig und verhältnismäßig sein müssen.

Die Entscheidung enthält wichtige Hinweise für Unternehmen und Berater bei der Strukturierung – und Ausübung – nicht-kontrollierender Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern:

  • Nebenabreden zu nicht-kontrollierenden Beteiligungen (z.B. Abwerbeverbote) unterliegen nicht der Bekanntmachung der Kommission über notwendige Nebenabreden.
  • Wettbewerbsverbote und Abwerbeverbote können (mit wenigen Ausnahmen) nur kontrollierenden Investoren auferlegt werden.
  • Vorstands- oder Verwaltungsrat-Positionen und Treuepflichten ändern nichts daran, dass Investor und Zielgesellschaft unabhängige Unternehmen sind zwischen denen das Kartellrecht gilt.
  • Das Investment kann durch einen Vertreter im Vorstand oder Verwaltungsrat der Zielgesellschaft geschützt werden. Interne Firewalls müssen gewährleisten, dass sensible Geschäftsinformationen nicht ungehindert innerhalb des Investors weitergegeben werden.
  • Eine klare Dokumentation der Art und Ausübung der Beteiligung ist erforderlich – interne Dokumente müssen ggf. Wettbewerbsbehörden vorgelegt werden, wenn eine kontrollierende Beteiligung erworben wird.

Minderheitsbeteiligungen stehen im Fokus der Kommission: Im August 2025 genehmigte die Kommission die Übernahme von Just Eat Takeaway.com („JET“), in Deutschland bekannt als Lieferando, durch Naspers über seine Tochtergesellschaft Prosus.4 Da Prosus eine Minderheitsbeteiligung von 27,4 % an JETs Wettbewerber Delivery Hero hält, hatte die Kommission Bedenken, dass die geplante strukturelle Verbindung zwischen JET und Delivery Hero Wettbewerbsanreize verringern und eine stillschweigende Koordinierung erleichtern könnte. Die Transaktion wurde daher nur unter der Auflage genehmigt, dass Nasper seinen Anteil an Delivery Hero auf einen sehr geringen Prozentsatz reduziert, ohne künftig Einfluss auf die geschäftlichen Strategie von Delivery Hero nehmen zu können.

Diese Veröffentlichung dient ausschließlich zu Informationszwecken. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine Rechtsberatung dar. Jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Verwendung der Informationen und deren Richtigkeit ist ausgeschlossen.