Seit Inkrafttreten der FSR musste die eigens für die Durchsetzung der FSR eingerichtete Direktion K mehr als 150 M&A-Transaktionen prüfen, davon zwei ex-officio eingeleitete Verfahren. Als Direktor der Direktion K wurde der Ökonom Karl Soukup ernannt, der parallel auch die Funktion des stellvertretenden Generaldirektors für staatliche Beihilfen innehat. Die erste ex-officio Untersuchung der Kommission richtete sich gegen chinesische Lieferanten von Windturbinen für Windparks in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Für Aufsehen sorgte auch die bislang einzige unangekündigte Durchsuchung unter der FSR im April 2024. Die Kommission durchsuchte die Räumlichkeiten des chinesischen Unternehmens Nuctech, das auf dem Markt für Ausrüstung zur Durchführung von Sicherheitskontrollen tätig ist, in den Niederlanden und Polen. Aus derselben Sache ist auch die erste gerichtliche Entscheidung zur FSR hervorgegangen. Nuctech hatte die Befugnis der Kommission zur und die Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung angegriffen. Mit Entscheidung vom 12. August 2024 wies das Europäische Gericht („EuG“) die Vorwürfe Nuctechs zurück.1 Erst jüngst wurde die Entscheidung des EuG vom Gericht zweiter Instanz, dem Europäischen Gerichtshof („EuGH“) bestätigt.2
Trotz der Vielzahl von Anmeldungen gibt es bislang nur eine Entscheidung der Kommission zu einer nach der FSR-angemeldeten M&A-Transaktion.3 Die Kommission ist unter der FSR nicht verpflichtet, Freigabeentscheidungen in Phase 1-Verfahren zu erlassen und zu veröffentlichen.
In der Sache Emirates Telecommunications / PPF Telecom4 äußerte die Kommission Bedenken insbesondere mit Blick auf die unbegrenzten drittstaatlichen Garantien aus der UAE. Aus Sicht der Kommission hätten diese den Wettbewerb auf dem Markt, auf dem die Zusammenschlussparteien ab Vollzug der Transaktion tätig sind, negativ verzerren können. Die unbegrenzten drittstaatlichen Garantien fielen schließlich den Auflagen der Kommission für die Freigabe der Transaktion zum Opfer.
Die rund 150 bei der Kommission angemeldeten M&A-Transaktionen hatten den Erwerb von Zielgesellschaften mit Aktivitäten im Bereich (NACE Codes) verarbeitendes Gewerbe (ca. 28%), Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (ca. 17%), Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (ca. 13%), Energieversorgung (11%) und andere Bereiche (ca. 31%) zum Gegenstand.
Während die Kommission zwar nicht müde wird zu betonen, dass die FSR länder- und branchenneutral ist, macht sich dennoch eine Fokussierung der Kapazitäten der Direktion K einerseits auf chinesische Subventionen und anderseits auf sensible Sektoren wie “saubere Technologien”, Telekomunikation, Infrastruktur und Sicherheit, bemerkbar.
Auf materieller Ebene sind weiterhin viele Fragen offen, was nicht zuletzt auf das Fehlen von veröffentlichten Entscheidungen zurückzuführen ist. Der materielle Prüfmaßstab der FSR, Verzerrungen auf dem europäischen Binnenmarkt durch drittstaatliche Subventionen zu verhindern, scheint sich aber jedenfalls von der Fusionskontrolle abzugrenzen und, wenig überraschend, an das europäische Beihilfenrecht anzulehnen.
Das bislang einzige Phase 2-Verfahren offenbart jedenfalls das weite Verständnis der Kommission von einer möglichen Verzerrung des Wettbewerbs. Während Art. 19 FSR zwar „die Beurteilung auf diesen Zusammenschluss beschränkt“, argumentierte die Kommission in der Sache Emirates Telecommunications / PPF Telecom, dass die drittstaatliche Subventionierung das Marktverhalten des Käufers nach der Transaktion beeinflussen könnte. Unbegrenzte drittstaatlichen Garantien werden sich zukünftig den kritischen Blick der Direktion K gefallen lassen müssen.
Auf verfahrensrechtlicher Ebene zeichnen sich weitreichende Befugnisse der Kommission bei der Durchsetzung der FSR ab. Das EuG (bestätigt vom EuGH) sprach der Kommission die Befugnis zu, von den beteiligten Parteien auch solche Informationen herauszuverlangen, die außerhalb der EU gespeichert waren. Welche Implikationen sich aus dieser Entscheidung für die extraterritoriale Anwendbarkeit der FSR im Einzelnen ergeben, ist noch offen.
In Ihrem “Mission Letter” an Teresa Ribera Rodríguez fordert Ursula von der Leyen die neue Leitung von DG Comp und somit Verantwortliche für die Durchsetzung der FSR in Bezug auf M&A-Transaktionen dazu auf, “die Foreign Subsidies Regulation energisch durchzusetzen” und “problematische Praktiken, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen können, proaktiv zu erfassen”.5 Der Ton für die Verfolgungsaktivitäten der Kommission mit Blick auf die FSR ist damit gesetzt. Dass die Kommission die Daumenschraube auch mit Blick auf ex-officio Untersuchungen anziehen wird, ist zu erwarten. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen ihre M&A-Readiness um die für eine FSR-Anmeldung notwendigen Daten ergänzen (insbesondere die systematische Erfassung aller Zuwendungen aus Drittstaaten) und auf Dawn Raids vorbereitet sein.
Mit Blick auf die aktuell bestehenden Unsicherheiten, lassen die Anfang März eingeleiteten Konsultationen mit den Mitgliedstaaten zur Verabschiedung von Leitlinien als Hilfestellung für die Anwendung der FSR optimistisch stimmen. Auf der Zeitschiene ist geplant, im dritten Quartal 2025 einen Entwurf für die Leitlinien fertigzustellen und auf dieser Grundlage öffentliche Konsultationen zum Entwurf durchzuführen. Die Leitlinien müssen spätestens am 12. Januar 2026 veröffentlicht werden.
Die Kommission hat zudem angekündigt, eine Überarbeitung der Schwellenwerte für M&A-Transaktionen in Betracht zu ziehen. Aktuell sind für diese nicht nur die materiell relevanten drittstaatlichen Subventionen (Englisch: foreign subsidies), sondern sämtliche finanzielle Zuwendungen (English: financial contributions) von Drittstaaten relevant, womit auch marktkonformes Verhalten erfasst wird. In der Praxis erfüllen daher Unternehmen, die regelmäßig Güter an Drittstaaten verkaufen oder diesen gegenüber Dienstleistungen erbringen, schnell die formellen Schwellenwerte für eine Anmeldepflicht. Dringend benötigt werden Kriterien anhand derer sich bestimmen lässt, welche Unternehmen einem Drittstaat zugerechnet werden, weil marktkonforme Umsätze mit solchen Akteuren derzeit in die Berechnung der finanziellen Zuwendungen miteinzubeziehen sind.
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