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20.12.2024

„Standalone“-Informationsaustausch als eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

Der Europäische Gerichtshof gibt in seiner Entscheidung Banco BPN Leitlinien für den Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern

In seiner Entscheidung Banco BPN ua. gegen Autoridade da Concorrência1 hat der Europäische Gerichtshof („EuGH“) entschieden, dass ein „Standalone“-Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern als eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann. Demnach müssen die Wettbewerbsbehörden die potenziellen Auswirkungen des Informationsaustausches auf den Markt nicht untersuchen, wenn ein Informationsaustausch an sich als schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs anzusehen ist.  

Ausgangsfall und Vorlagefrage

Der Antrag auf das Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH wurde vom portugiesischen Gericht für Wettbewerb, Regulierung und Aufsicht („vorlegendes Gericht“) im Rahmen einer Klage gestellt, die einige Kreditinstitute nach einer Entscheidung der portugiesischen Wettbewerbsbehörde („Wettbewerbsbehörde“) erhoben hatten. Die Wettbewerbsbehörde verhängte gegen 14 Kreditinstitute  eine Geldbuße in Höhe von insgesamt EUR 225 Mio., weil diese über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren gegen nationales und EU-Wettbewerbsrecht verstoßen hatten, indem sie sensible Informationen ausgetauscht haben. Dieser Informationsaustausch war sonst mit keinen weiteren wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen verbunden. Die ausgetauschten Informationen betrafen den Markt für Hypotheken-, Verbraucher- und Unternehmenskredite und bezogen sich auf bestimmte aktuelle und künftige Geschäftsbedingungen, insbesondere auf Kreditaufschläge und Risikoparameter, sowie auf die individualisierten Produktionszahlen der an diesem Austausch teilnehmenden Kreditinstitute.

Die Wettbewerbsbehörde vertrat die Auffassung, dass der fragliche Informationsaustausch eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle, weshalb sie nicht verpflichtet war, die möglichen Auswirkungen dieses Austauschs auf den Markt zu untersuchen. Die Kreditinstitute vertraten hingegen die Auffassung, dass der Informationsaustausch nicht per se schädlich gewesen sei und dass die Behörde die Auswirkungen sowie den wirtschaftlichen, rechtlichen und regulatorischen Kontext des Austauschs während seiner Durchführung hätte berücksichtigen müssen, bevor sie zu dem Schluss kam, dass dieser gegen nationales und EU-Wettbewerbsrecht verstieß.

Da es keine Präzedenzfälle zum „Standalone“- Informationsaustausch gab, legte das vorlegende Gericht dem EuGH die Frage vor, ob die Einstufung des streitigen Informationsaustauschs als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung mit Art. 101 AEUV vereinbar ist.

Das EuGH-Urteil

Bedingungen für die Einstufung eines Geschäftsverhaltens als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

Der EuGH gab zunächst einen Überblick über die Faktoren, die bei der Prüfung der Frage, ob ein Verhalten eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt, zu berücksichtigen sind. Eine gründliche Prüfung ist erforderlich, da der Begriff der „bezweckten Beschränkung“ eng auszulegen ist und eine solche Charakterisierung nur bei Verhaltensweisen vorgenommen werden sollte, die eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lassen.2

In diesem Sinne sollten die Behörden Folgendes prüfen: i) den Inhalt des Verhaltens, um Merkmale der Koordinierung zu ermitteln, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Wettbewerbs sehr schädlich sind,3 ii) den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in den das Verhalten eingebettet ist, um sicherzustellen, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die die Vermutung, dass die Koordinierung wettbewerbsschädlich ist, widerlegen4 und iii) die mit dem Verhalten verfolgten Ziele – die Absicht, den Wettbewerb zu verfälschen, ist nicht entscheidend.5

Informationsaustausch als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

Der EuGH verweist auf die Ausführungen des Generalanwalts, wonach ein Informationsaustausch, auch wenn er nicht mit einer Kooperationsvereinbarung einhergeht, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen kann, sofern er an sich das Funktionieren des Wettbewerbs beeinträchtigt.6

Bei Anwendung der o.g. Prüfungsmethode sollte dies der Fall sein, wenn es sich bei dem angeblichen Informationsaustausch um vertrauliche und strategische Informationen handelt und der Kontext, in dem der Austausch stattfindet, die vernünftig handelnden und wirtschaftlich vernünftigen Teilnehmer dazu veranlassen kann, stillschweigend dasselbe Geschäftsverhalten einzuführen. Dabei müssen nicht nur die Art der ausgetauschten Informationen, sondern auch der wirtschaftliche Kontext, in dem der Austausch stattfindet, sowie Faktoren, wie die Marktkonzentration und bestehende Marktzutrittsschranken, berücksichtigt werden.

Die wichtigsten Takeaways

Zwar ist die Auslegung des EuGH-Urteils Sache des vorlegenden Gerichts. Dem EuGH-Urteil lassen sich jedoch indirekt „Leitlinien“ zur Bewertung eines Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern entnehmen, die für alle Unternehmen Gültigkeit haben:

  • Informationen, die sich auf Parameter beziehen, auf deren Grundlage der Wettbewerb auf dem relevanten Markt etabliert wird, sollten als strategische Informationen angesehen werden.
  • Der vertrauliche Austausch von Informationen über künftige Absichten ist als eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen anzusehen, die für das reibungslose Funktionieren des Wettbewerbs schädlich ist.
  • Die Übermittlung von nicht-strategischen Informationen über frühere Tätigkeiten in aufgeschlüsselter und individualisierter Form kann in Verbindung mit anderen bereits bekannten Informationen Aufschluss über künftige Absichten
  • Der Austausch von Informationen über mögliche künftige Maßnahmen, die zum Zeitpunkt des Austauschs nicht öffentlich zugänglich sind, sollte als wettbewerbsschädigende Koordinierung anzusehen sein.
  • Das gilt auch für den Informationsaustausch, der über das hinausgeht, was in einzelnen Fällen durch Verordnungen, die die Veröffentlichung bestimmter Informationen vorschreiben, erlaubt ist.
  • Ein einziger Kontakt reicht aus, um die Unsicherheit über die Marktbedingungen zwischen den Wettbewerbern zu beseitigen.
  • Nicht nur abgestimmte Verhaltensweisen, die sich auf alle Parameter erstrecken, auf deren Grundlage der Wettbewerb auf dem Markt stattfindet, sind schädlich.
  • Die Veränderung des Geschäftsverhaltens aufgrund des Informationsaustausches ist für dessen Einstufung als wettbewerbsschädigend nicht erforderlich.

Kommentar

Das Vorabentscheidungsurteil des EuGH bringt keine großen Überraschungen mit sich. Dennoch sollten Unternehmen das Urteil als eine „freundliche Erinnerung“ ansehen, die Grundsätze des zulässigen Informationsaustauschs bei ihren Geschäftsaktivitäten zu berücksichtigen und ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen.

Diese Veröffentlichung dient ausschließlich Informationszwecke, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine Rechtsberatung dar. Jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung der Informationen sowie ihrer Richtigkeit wird ausgeschlossen.

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Quellen

  1. EuGH, Urteil vom 29. Juli 2024, C-298/22 Banco BPN ua. gegen Autoridade da Concorrência.
  2. Ebenda, Rn. 43.
  3. Ebenda, Rn. 45.
  4. Ebenda, Rn. 46 ff.
  5. Ebenda, Rn. 49.
  6. Siehe Schlussanträge vom Generalanwalt Rantos, vom 5. Oktober 2023, C-298/22 – Banco BPN ua. gegen Autoridade da Concorrência, Rn. 52.

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