In seiner Entscheidung Banco BPN ua. gegen Autoridade da Concorrência1 hat der Europäische Gerichtshof („EuGH“) entschieden, dass ein „Standalone“-Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern als eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann. Demnach müssen die Wettbewerbsbehörden die potenziellen Auswirkungen des Informationsaustausches auf den Markt nicht untersuchen, wenn ein Informationsaustausch an sich als schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs anzusehen ist.
Der Antrag auf das Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH wurde vom portugiesischen Gericht für Wettbewerb, Regulierung und Aufsicht („vorlegendes Gericht“) im Rahmen einer Klage gestellt, die einige Kreditinstitute nach einer Entscheidung der portugiesischen Wettbewerbsbehörde („Wettbewerbsbehörde“) erhoben hatten. Die Wettbewerbsbehörde verhängte gegen 14 Kreditinstitute eine Geldbuße in Höhe von insgesamt EUR 225 Mio., weil diese über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren gegen nationales und EU-Wettbewerbsrecht verstoßen hatten, indem sie sensible Informationen ausgetauscht haben. Dieser Informationsaustausch war sonst mit keinen weiteren wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen verbunden. Die ausgetauschten Informationen betrafen den Markt für Hypotheken-, Verbraucher- und Unternehmenskredite und bezogen sich auf bestimmte aktuelle und künftige Geschäftsbedingungen, insbesondere auf Kreditaufschläge und Risikoparameter, sowie auf die individualisierten Produktionszahlen der an diesem Austausch teilnehmenden Kreditinstitute.
Die Wettbewerbsbehörde vertrat die Auffassung, dass der fragliche Informationsaustausch eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle, weshalb sie nicht verpflichtet war, die möglichen Auswirkungen dieses Austauschs auf den Markt zu untersuchen. Die Kreditinstitute vertraten hingegen die Auffassung, dass der Informationsaustausch nicht per se schädlich gewesen sei und dass die Behörde die Auswirkungen sowie den wirtschaftlichen, rechtlichen und regulatorischen Kontext des Austauschs während seiner Durchführung hätte berücksichtigen müssen, bevor sie zu dem Schluss kam, dass dieser gegen nationales und EU-Wettbewerbsrecht verstieß.
Da es keine Präzedenzfälle zum „Standalone“- Informationsaustausch gab, legte das vorlegende Gericht dem EuGH die Frage vor, ob die Einstufung des streitigen Informationsaustauschs als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung mit Art. 101 AEUV vereinbar ist.
Der EuGH gab zunächst einen Überblick über die Faktoren, die bei der Prüfung der Frage, ob ein Verhalten eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt, zu berücksichtigen sind. Eine gründliche Prüfung ist erforderlich, da der Begriff der „bezweckten Beschränkung“ eng auszulegen ist und eine solche Charakterisierung nur bei Verhaltensweisen vorgenommen werden sollte, die eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lassen.2
In diesem Sinne sollten die Behörden Folgendes prüfen: i) den Inhalt des Verhaltens, um Merkmale der Koordinierung zu ermitteln, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Wettbewerbs sehr schädlich sind,3 ii) den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in den das Verhalten eingebettet ist, um sicherzustellen, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die die Vermutung, dass die Koordinierung wettbewerbsschädlich ist, widerlegen4 und iii) die mit dem Verhalten verfolgten Ziele – die Absicht, den Wettbewerb zu verfälschen, ist nicht entscheidend.5
Der EuGH verweist auf die Ausführungen des Generalanwalts, wonach ein Informationsaustausch, auch wenn er nicht mit einer Kooperationsvereinbarung einhergeht, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen kann, sofern er an sich das Funktionieren des Wettbewerbs beeinträchtigt.6
Bei Anwendung der o.g. Prüfungsmethode sollte dies der Fall sein, wenn es sich bei dem angeblichen Informationsaustausch um vertrauliche und strategische Informationen handelt und der Kontext, in dem der Austausch stattfindet, die vernünftig handelnden und wirtschaftlich vernünftigen Teilnehmer dazu veranlassen kann, stillschweigend dasselbe Geschäftsverhalten einzuführen. Dabei müssen nicht nur die Art der ausgetauschten Informationen, sondern auch der wirtschaftliche Kontext, in dem der Austausch stattfindet, sowie Faktoren, wie die Marktkonzentration und bestehende Marktzutrittsschranken, berücksichtigt werden.
Zwar ist die Auslegung des EuGH-Urteils Sache des vorlegenden Gerichts. Dem EuGH-Urteil lassen sich jedoch indirekt „Leitlinien“ zur Bewertung eines Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern entnehmen, die für alle Unternehmen Gültigkeit haben:
Das Vorabentscheidungsurteil des EuGH bringt keine großen Überraschungen mit sich. Dennoch sollten Unternehmen das Urteil als eine „freundliche Erinnerung“ ansehen, die Grundsätze des zulässigen Informationsaustauschs bei ihren Geschäftsaktivitäten zu berücksichtigen und ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen.
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